Rückenschmerzen zählen mit einer Jahresprävalenz zw. 60-70% zu den Volkskrankheiten unserer Zeit. Vielleicht ist auch bekannt, dass eine starke genetische Komponente vorgibt, ob Jemand betroffen ist oder nicht (60% der Rückenschmerzen sind genetisch bedingt).
90% aller akuten Kreuzschmerzen verschwinden nach 6 Wochen von selbst. Doch warum ist das so? Warum kommen die Schmerzen oft wieder zurück? Was genau tut da eigentlich weh? Und warum zählt der Flachrücken als Risikofaktor für Rückenprobleme obwohl es bekanntlich heißt, Hohlkreuz sei schlecht.
Dieser Artikel soll Laien einen Einblick in die Chronologie von akuten bis chronischen Rückenschmerzen bieten und dem Bandscheibenvorfall seine Angst nehmen.
Risikofaktoren
Zu den bekannten Risikofaktoren gehören eine eingeschränkte Seitneigung der Wirbelsäule, weil dadurch Bandscheiben zu wenig Entlastung erhalten. Diese Einschränkung ist häufig bei älteren Personen zu finden. Außerdem hat man herausgefunden, umso länger ein Rücken ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines Problems. Wie bereits erwähnt ist der Flachrücken riskant, weil dadurch die Wirbelgelenke weniger Stabilität und damit weniger Entlastung einbringen können, was wiederum die Bandscheibe stresst. Einen weiteren Faktor betrifft der psychologische Status. Wenn man nachts nicht gut schläft, kann die Wirbelsäulenmuskulatur nicht ausreichend entspannen. Dadurch verlieren Bandscheiben schneller an Wasser und genießen zu wenig Erholung über Nacht. Auch der soziale Status spielt eine wichtige Rolle. Schichtarbeiter sind häufiger von Rückenbeschwerden betroffen.
Die Bandscheibe zuerst
Vorweg sei erwähnt, dass Bandscheiben als Ursache der meisten Pathologien in der Wirbelsäule gelten. Bandscheiben funktionieren wie Pumpen. In der Nacht saugen sie Wasser aus dem umliegenden Gewebe an, während sie untertags Wasser abgeben. Am Morgen nach dem Schlaf sind sie prall gefüllt mit Wasser, welches sie im Laufe eines langen Arbeitstags wieder abgeben und dadurch abends flacher sind. Dies ist der Grund, warum wir morgens etwas größer sind als abends. Die Bandscheibe dient als Puffer wie ein Stoßdämpfer und federt sämtliche Belastungen, die auf die Wirbelsäule einwirken, ab. Sie kann sich bei Belastung gut verformen und nimmt bei Entlastung wieder die ursprüngliche Form an.
Bei Jugendlichen ist sie besonders voll. Daher kommt es in diesem Alter häufiger zu Deckplatteneinbrüchen durch Trauma wie Sportverletzungen. Deckplatten sind hauchdünn und bilden den Boden bzw. das Dach eines jeden Wirbels. Bei gesunden Bandscheiben lassen Deckplatten als Erstes nach. Mit den Jahren funktioniert die Pumpfunktion zunehmend schlechter und die Bandscheibe kann
Erleidet die Bandscheibe einen Riss, so ist dies noch kein Bandscheibenvorfall. Wir sprechen hier von einer internen Bandscheibenruptur. Es kommt in Folge zu einer Entzündung, Bluterguss und Schwellung, wodurch chemische, mechanische, nozizeptive sowie thermische Reizungen zu Schmerzen auslösen. Diese vergehen meist nach 6 Wochen aufgrund der Auflösung eines Blutergusses von selbst. Wenn die Bandscheibe aber nicht ausreichend ausheilt, weil Sie nach Jahrzehnten langer Verwendung nicht mehr so belastbar ist, kommt es zu einem Höhenverlust im Segment.
Wirbelgelenke danach.
Nun verrutschen die in sich greifende Wirbelgelenke und verlieren an Stabilität. Dies hat zur Folge, dass es zu höher Reibung und Abnutzung kommt. Schmerzen mit einen einschießenden, plötzlichen Charakter können ein Hinweis auf eine Instabilität sein. Dies ist in den 40ger Jahren häufig die Ursache für Rückenbeschwerden. Natürlich nutzen sich dadurch die Bandscheiben zunehmend ab und es kommt immer wieder zu neuen Bandscheibenrupturen bis eines Tages der Kern der Bandscheibe eine Vorwölbung bildet. Es handelt sich um die Vorstufe eines Vorfalls. Nach jahrelangem Prozess mit immer wieder kehrenden Episoden von Beschwerden kann es letztlich zu einem Bandscheibenvorfall kommen, welcher oft unspektakulär auftritt (bei Gartenarbeit oder Wohnung saugen)
Nicht jeder Vorfall ist gleich symptomatisch. Der Vorfall muss in eine bestimmte Richtung ausbrechen, sodass es die Nervenwurzel tangiert und es somit zu dem gefürchteten „Ischias“ kommt. Hier haben wir scharfe Schmerzen ins Bein mit oder ohne Beteiligung der Lendenwirbelsäule.
Im Laufe der Zeit beginnt der Körper Maßnahmen zu ergreifen, um der Instabilität entgegen zu wirken. Er baut sogenannte Osteophyten im Wirbelsegment an, welche mit der Zeit das Gelenk wieder festigen. Leider kann es hierbei zu einer Versteifung führen, die nicht nur Bewegungsverlust mit sich bringt sondern auch die Austrittsstelle des Nerven aus dem Wirbelkanal verkleinert. Wenn nun auch noch die lokale Muskulatur und Bandapparat aufgrund höheren Alters und Immobilität verfettet kann dies zu einem abgeklemmten Nerv führen. Man spricht nun von einer Foramenstenose, eine gehäufte Diagnose im höheren Alter.
Welche Übung soll ich machen?
Grundsätzlich gilt: Immer im schmerzfreien Bewegungsradius üben. Hilfreich ist hier ein Selbsttest um festzustellen, welche Bewegungsrichtungen schmerzfrei möglich sind. Dieser Test wird im Stand ausgeführt. Sie beugen sich vorne herab Richtung Boden mit abgerollter Wirbelsäule und beobachten, ob und wie sich das Empfinden verändert. Dies machen Sie auch beim Überstrecken nach hinten, genauso wie beim Seitneigen recht und links aus aufrechtem Stand. Schmerzfreie Richtungen sind Positionen, in denen geübt bzw. gelagert werden darf.
Die Art der Übung ist weniger wichtig, als ein regelmäßig ausgeführtes Training. Es geht um die Reaktivierung von tiefer Bauchmuskulatur, Beckenboden, und kleinen Rückenmuskeln. Diese Muskeln müssen synergistisch in alltäglichen Bewegungen ausgeführt werden. Als Beispiel dient Gehen, Liegen, Sitzen, Stehen, Treppen steigen, usw. Bevorzugt wird die Position, welche am Meisten Probleme macht.
Stop & Go Sportarten wie Tennis ist für eine vorgeschädigte Wirbelsäule nicht zu empfehlen. Generell gilt dies für Sportarten in denen viele Drehbewegungen vorkommen (Golf), da eine instabile Lendenwirbelsäule mehr Rotation zulässt als bei Gesunden und es hierbei zu weiterer Reizung kommen kann. Schwimmen sowie Nordic Walking sind geeignete Sportarten bei wiederkehrenden Rückenschmerzen.
Das Training sollte als Kraftausdauer absolviert werden. Als konkretes Beispiel wäre tägliches am Stand simuliertes Gehen (Schritt vorwärts rückwärts) bei jedem Durchgang 1 Minute maximale Spannungen des Muskelkollektivs, 3 bis 5 Durchgänge mit halbminütigen Pausen dazwischen.
Mieder ja oder nein?
Bei akutem Schmerz ist es anfänglich sinnvoll, die Wirbelsäule zu entlasten und passiv durch einen Mieder zu stabilisieren. Dies soll jedoch maximal 3 Stunden am Tag genutzt werden und muss nach wenigen Tagen mit oben beschriebenen Aufbautraining kombiniert werden.
Schmerzmedikamente?
Schmerz dient als wichtiges Warnsignal für Menschen, sich vor weiteren Schädigungen zu schützen und zeitgerecht zu erkennen, wann der Körper nach einer Verletzung Ruhe benötigt. Hierbei können Medikamente den natürlichen Ablauf negativ beeinflussen. Dies gilt allerdings ausschließlich bei Strukturschädigungen und selbst hier spalten sich die Geister. Wer schon einmal einen akuten Bandscheibenvorfall erlebt hat, wird wissen, dass es ohne Medikation nicht leicht möglich ist, aus dem Teufelskreis Schmerz zu entkommen. Besonders bei entzündlichen Prozessen ist es wichtig, nicht allzu lange zu warten, da hier chemische Prozesse mechanische Reizungen aufrecht erhalten und umgekehrt. Chemische Rezeptoren reagieren auf Chemie und das sind Medikamente. Hierbei soll klar werden, wie wichtig es ist, eine Chronifizierung zu verhindern. Wir sprechen vom chronischen Schmerz ab 3Monate wiederkehrender Schmerzen. Hierbei hat sich das Schmerzverabeitungssystem des Zentralen Nervensystems verändert. Es kommt zu einer Sensibilisierung auf normalerweise nicht schmerzhafte Reize, die dann trotz einer vorangegangen Gewebsheilung schmerzen.