Ältere Menschen sind häufig von Stürzen betroffen. Auffällig ist, dass sie aber oft keine klare Ursache dafür beschreiben können und die Anamnese auch keine eindeutigen Faktoren aufweisen. Daher ist anzunehmen, dass der physiologische Alterungsprozess dabei eine wichtige Rolle spielt. Dieser beschäftigt sich mit den Ursachen von Stürzen im Alter und wie man sich davor schützen kann.
Wie altert unser Körper?
Der Mensch benötigt mehrere körperliche Systeme, um sicher von A nach B zu gelangen.
Wichtig zu nennen sind eine kräftige Muskulatur, ein gutes Sehvermögen, ein ausgeprägtes Koordinationssystem, ein intaktes Gleichgewichtsorgan, ein reflexstarkes Nervensystem, ausreichende Beweglichkeit der Gelenke sowie kognitive Fähigkeiten. Im Laufe des Alters verlieren diese Systeme mehr oder weniger an Leistung. Das „use it or lose it“ Prinzip gilt unser ganzes Leben. Abhängig davon wie wir unseren Leib, im Sinne von Körper und Geist, benutzen, stellt sich dessen Fähigkeiten ein. (mehr dazu im Artikel Alterungsprozesse)
Angst
Ein Sturz kann für ältere Personen dramatische Folgen haben. Eine herabgesetzte Knochendichte, die sogenannte Osteoporose, führt beispielsweise zu Frakturen, wie der berüchtigte Schenkelhalsbruch. Die Folgen sind längere Spitalsaufenthalte, mit tagelanger Immobilität. Daraus resultieren ein massiver Verlust von Kraft und Koordination der Muskulatur sowie herabgesetzte Leistungsfähigkeit des Herz- Kreislaufsystems. Dies hat eine Reduktion der Selbstständigkeit zur Folge, wodurch eine Heimpflege oder die Umsiedelung in ein Pflegeheim nötig werden kann. Die häusliche Betreuung wird von Betroffenen häufig als Einmischung, fremder Personen, in die Privatsphäre wahrgenommen. Der Kontrollverlust sowie die Gefahr, pflegebedürftig zu werden, können große Angst bereiten. Mittlerweile wurde wissenschaftlich belegt, dass Angst ein Risikofaktor für Stürze ist. Die Betroffenen vermeiden Alltagshandlungen, die mit dem Sturz einhergingen, wie Treppen steigen oder vom Stuhl aufstehen. Das veränderte Verhalten führt zur Reduktion der Aktivitäten und damit zur Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit, was wiederum noch mehr Reduktion der Aktivitäten mit sich bringt. Nun ist die Person in einem Teufelskreis gefangen. Für Angehörige ist es wichtig, die Sorgen und Bedenken der Betroffenen zu erkennen. Mut und Zuspruch ist hilfreich, darf aber nicht zu Druck und Stress führen. Manchmal erfordert es Geduld bis sich Personen wieder im Alltag zurechtfinden. Eine medizinische Trainingstherapie durch einen Physiotherapeuten kann das herantasten an die Auslösesituation erleichtern und den Prozess erheblich beschleunigen.
Selbstwirksamkeit
Allerdings gibt es auch Menschen, welche sich nicht von der Erfahrung eines Sturzes einschüchtern lassen.
Das Konzept der Selbstwirksamkeit spielt hier eine wesentliche Rolle. Die positive Erwartung, eine Situation zu meistern, bewirkt die notwendige Motivation, sich den Alltagsituationen zu stellen. Wenn man an sich glaubt, wird ausdauernder und härter an den eigenen Fähigkeiten gearbeitet. Gegenteilig ist dies bei einer schwachen Selbstwirksamkeit der Fall. Es ist aber auch möglich, dass der Glaube an sein Können zu hoch eingeschätzt wird und dies wieder zu Stürzen führt. Selbstwirksamkeit ist damit ein wesentlich bestimmender Faktor.
Was wird in der Physiotherapie gemacht?
Stürze finden in einer sehr kurzen Zeitspanne von wenigen Millisekunden statt.
Kann der Mensch nicht mehr ausreichend schnell Kraft entwickeln, aufgrund verschiedener Alterungsprozesse, beeinträchtigt dies die Stand- und Gangsicherheit.
Im Alter verändert sich das Verhältnis zwischen Typ I (Ausdauer) und Typ II (Kraft) Muskelfasern zugunsten von Typ II. Generell kommt es zur Abnahme der Muskulatur.
Ein Krafttraining erhält und Vergrößert die Muskelmasse und führt zu einem ausgewogeneren Verhältnis der Muskelfasern. Wie oben erklärt muss hier ein Schwerpunkt im Bereich der Schnellkraft liegen, damit potenzielles Fallen verhindert werden kann. Weiters trainiert Maximalkraft das Aufstehen von niederem Sessel und hilft zur schnellen Stabilisierung bei drohendem Sturz.
Ausdauertraining wird für das Stufen steigen und zur Distanzvergrößerung von Gehstrecken benötigt.
Das Gleichgewicht wird mit labilen Unterlagen aber auch durch Ausschaltung des Visus erzielt. Die Reduktion des optischen Systems in der Physiotherapie hat besonderen Stellenwert, da Gleichgewichtssinn und Propriozeption (Wahrnehmung des eigenen Körpers im Raum) mit dem Alter im Vergleich zur Exterozeption (Außenwahrnehmung) durch die Augen deutlich reduziert sind. Damit sind Senioren zunehmend vom Sehen abhängig.
Eine Gangschulung geht einher mit einem Koordinationstraining. Hierbei werden Übungen im Sitz, im Stand und Gehend einstudiert. Ein kleiner Parcour mit Hindernissen kann leicht in der Wohnung aufgebaut werden.
Da Senioren manchmal Hilfsmittel wie einen Rollator verwenden, müssen auch Arme und Schultergürtel ins Training miteinbezogen werden. Der Physiotherapeut achtet auf all diese Parameter und stellt ein individuelles Programm zusammen. Dabei ist ein vielseitiges Angebot von besonderer Bedeutung. Tanzen fördert nicht nur die Freude am Leben sondern auch das Gleichgewicht, Ausdauer und Motivation. Somit kann eine kleine Tanzrunde mit der Physiotherapeutin ein gelungener Abschluss einer Physiotherapie sein.
Weitere Verbesserungsmöglichkeiten
Ein letzter wichtiger Punkt ist die Optimierung häuslicher Umstände und gewisser Fehlverhalten.
Teppichkanten sind große Risikofaktoren, vor allem am Weg vom Bett zur Toilette. Beim nächtlichen Aufstehen ist es besonders wichtig Licht anzumachen, um das optische System zu nutzen. Hausschuhe sind oft keine geschlossenen Schuhe, was vor Allem bei Treppen steigen schlimme Folgen haben kann.
Manchmal ist es nötig, Handgriffe in der Wohnung zu montieren, zum Beispiel an der Toilette oder Dusche.
Die Gesamtheit dieser Maßnahmen ergibt ein starkes Konzept als Sturzprophylaxe und beugt gegen schlimme Verletzungen vor.